Gesellschaft muss Eltern an erste Stelle setzen
Wie unsere Kinder heute heranwachsen, muss uns alle kümmern, unabhängig davon, ob wir selbst Eltern sind oder nicht. Bei der 53. Landesversammlung des Katholischen Familienverbandes Südtirol (KFS) fand nicht nur Präsidentin Angelika Mitterrutzner klare Worte. Auch die Münchner Psychologin Johanna Graf betonte in der Salewa Conference Hall, dass wir nur dann starke Kinder heranziehen können, wenn auch die Eltern über Stabilität und Sicherheit verfügen.
Eltern brauchen Sicherheit. Finanziell, beruflich und erzieherisch. Die Diplompsychologin und Begründerin des FamilienTeam®-Elterntrainings Johanna Graf lies in ihrem Impulsvortrag „Kinder stärken heißt Eltern stärken. Wege aus der Überforderungsfalle“ keinen Zweifel daran, dass nur ein gesamtgesellschaftliches Umdenken ein Ausweg aus der Misere sein könne. „Politik und Wirtschaft haben eine große Aufgabe. Sie müssen Eltern an die erste Stelle setzen. Solange es noch so ist, dass man große Schwierigkeiten hat, nach einer Arbeitszeit-Reduzierung wieder Fuß zu fassen, wenn es immer noch so ist, dass jeder Monat Pause ein geringeres Gehalt und geringere Aufstiegschancen bedeutet, so lange sind wir noch weit entfernt, wirkliche Wahlfreiheit zu bieten“, betonte die Familientherapeutin vor etwa 150 Mitgliedern, ehrenamtlichen Mitarbeitenden, Ehrengästen und Netzwerkpartnern des Katholischen Familienverbandes. Den besinnlichen Einstieg gestaltete Toni Fiung, Familienseelsorger und geistlicher Assistent im KFS.
Mehr Wertschätzung für Familienarbeit
Mit 15.000 Mitgliedsfamilien ist der KFS die größte Familienorganisation Südtirols, die sich mit ihren tragenden Säulen Familienbildung, Familienfreizeit, Familienhilfe, Familienpastoral und Familienpolitik in allen Bereichen für Familien engagiert. Wichtige und jahrelange Forderung ist die volle Anerkennung der Erziehungs- und Pflegejahre für die Rente. Auch darauf ging Johanna Graf mit deutlichen Beispielen ein: „Ein Doppelverdiener-Ehepaar hat natürlich eine schöne Rente. Jemand der sich viel Zeit für seine Kinder nimmt, hat hingegen ein hohes Risiko in Armut zu geraten. Alleinerziehende ganz besonders. Man zieht drei Kinder groß, die dann die Rente von anderen finanzieren und muss selbst schauen, einigermaßen über die Runden zu kommen. Da sehe ich eine gewaltige Schieflage, eine extreme Diskriminierung von Familie und Familienarbeit.“
Pausenknopf und Kompass als Werkzeug gegen Überforderung
Eltern sollten im Beruf kaum zurückstecken, die Karriereleiter weiter erklimmen, gleichzeitig rund um die Uhr emotional für die Kinder zur Verfügung stehen, sie kognitiv fördern und die Partnerschaft und Netzwerke pflegen. Es werde in allen Bereichen eine Professionalisierung erwartet. Das alles in 24 Stunden unterzubringen sei nicht menschenmöglich. Es sei deshalb völlig klar, dass Eltern mit heftigen Gefühlen ihrer Kinder oft schwer zurechtkommen, weil sie schlichtweg selbst keine Kraft mehr haben, ihre Kleinen einzufangen und zu erden. Eltern müssen nicht den Wunsch des Kindes erfüllen, aber die emotionale Situation gemeinsam mit dem Kind durchstehen. In Nähe, nicht in Abwehr. „Dafür brauchen sie aber Zeit und manchmal einen Pausenknopf“, betonte Graf: „einen Moment, um inne zuhalten und zu überlegen, was für sie das Wichtigste ist, was ihnen für ihr Leben, für die Familie und die Kinder wirklich im Herzen liegt. Die Vision, wo es hingehen soll wirkt wie ein Kompass und zeigt auf, wo Prioritäten gesetzt werden können und wo auch mal etwas über Bord gehen kann.“ KFS-Verbandspräsidentin Angelika Mitterrutzner stellte ebenfalls fest: „Familie ist nicht etwas, das nebenher läuft, sondern sie ist Dreh- und Angelpunkt. Es geht jeden an, wie unsere Kinder heranwachsen, auch unsere Unternehmen, unsere Institutionen und unsere Politik. Diese Kinder sind die zukünftigen kreativen Köpfe, die unser Land braucht. Wir müssen in Familie investieren.“
Familie ist im Wandel
„Wir haben bereits gute Unterstützungen“, erklärte Familienlandesrätin Waltraud Deeg. „Wir müssen zusehen, die Informationen unter die Menschen zu bringen, denn wir stellen fest, dass um viele Summen nicht angesucht wird, obwohl sie zur Verfügung stünden. Wir müssen uns auch mit dem Thema Pflege und einer alternden Bevölkerung auseinandersetzen. Es ist schön zu sehen, dass der KFS mit seinen Angeboten eine 360-Grad-Unterstützung der Familien bietet. Die Mitgliedszahlen zeigen, dass das sehr geschätzt wird.“
Grußworte an den Verband kamen auch von Heiner Oberrauch, der sowohl als Hausherr in der Salewa, als auch als Präsident im Haus der Familie und als Rechnungsprüfer des KFS sprach. „Familie ist im Wandel“, betonte er. „Im neuen Bildungsprogramm wollen wir auf diesen Wandel verstärkt eingehen. Wir freuen uns außerdem, dass Toni Fiung in Zukunft fest im Bildungshaus stationiert sein wird und wir noch mehr Schwerpunkte für die Begleitung der Familien setzen können.“
Jahresprogramm 2019
Silvia Di Panfilo, pädagogische Leiterin im Verbandsbüro, stellte die Aktionswochen des Jahresprojektes „Gutes Leben“ vor, das auch 2019 weitergeführt wird. Bereits stattgefunden hat die Aktionswoche „Lebendige Partnerschaft“. Der Aktionszeitraum „Gutes Leben – Kinder stärken“ wird zwischen 15. und 22. Mai stattfinden. Im Oktober geht es bei „Gutes Leben – Wasser trinken“ um die nachhaltige Nutzung einer unserer wertvollsten Ressourcen. Im Dezember stehen der solidarische Lebensstil und eine neue Mitmenschlichkeit im Vordergrund. Familien, die sich an dem Projekt beteiligen wollen, erhalten über den Gutes-Leben-Mailversand Impulse und Handlungsanregungen für mehr Nachhaltigkeit in der Familie. Weiterhin stattfinden werden das Erholungsseminar „Urlaub von der Pflege“, das Abenteuerwochenende mit Papi, die Imago-Paarseminare und die FamilienTeam®-Elternkurse. Im Herbst wird es drei Vorträge zum Thema „Ausnahmezustand Pubertät“ geben.
Dank an das Ehrenamt
In den 114 Zweigstellen des Verbandes wurden im vergangenen Jahr etwa 243 Kurse und Veranstaltungen zu etwa 2.300 Stunden organisiert. 6.531 Teilnehmende haben sich dabei weitergebildet. All das wäre ohne den vielfältigen Einsatz in den Zweigstellenausschüssen nicht möglich. „Die Zweigstellen im KFS zeigen bei jeder Aktion, wie viel man erreichen kann, wenn man gemeinsam ein Ziel verfolgt. Zusammen ist man nicht nur stärker – man kann sich auch gegenseitig unterstützen“, freute sich Verbandspräsidentin Mitterrutzner. Erstmals wurde der KFS-Preis „Kreativ, fantasievoll, spannend“ für innovative Aktionen an die Zweigstellen Prags, St. Pauls/Missian und Wiesen/Pfitsch vergeben.
Besonders geehrt wurde Inge Lunger Weiss. Drei Jahrzehnte lang war sie als Zweigstellenleiterin und letzthin als Bezirksleiterin ein starker Verbindungsfaden zwischen den Zweigstellen vor Ort und dem Zentralausschuss auf Landesebene. Ein Amt, das sie nun niedergelegt hat. Auf Landesebene und als Schriftleiterin der Verbandszeitschrift „FiS – Familie in Südtirol“ wird sie weiterhin tätig sein. Außerdem unterstützt Lunger Weiss an zwei Tagen in der Woche auch das KFS-Büroteam. „Inge ist unser Jolly im Büro“, dankte Angelika Mitterrutzner. Ein ganz herzlicher Dank ging auch an den KFS-Bezirk Pustertal mit Bezirksleiter Sepp Pichler für die Mitgestaltung der Landesversammlung und die liebevolle Dekoration des Saales.
Alle Bilder: ©KFS/Marion Lafogler