FamilienTeam®-Trainerin Katharina Swoboda wünscht Familien, dass es gelingt, trotz Alltagsschwierigkeiten einen wertschätzenden, respektvollen Umgang miteinander zu pflegen. Wir haben sie zum Gespräch getroffen.
Katharina Swoboda hat eine angenehme und ruhige Art zu sprechen. Sie wägt ab, bevor sie die Worte in den Mund nimmt, korrigiert sich auch mal, denn in ihrer täglichen Arbeit mit Kindern ist jeder Satz mit Bedacht zu setzen. Die Kaltererin ist Mutter dreier Kinder, seit 20 Jahren freiberuflich als akademische Heilpädagogin und seit 2013 als FamilienTeam®-Trainerin tätig. Im Herbst ist Swoboda mit dem Thema „Feuer am (Erziehungs-) Dach. Dauerbrenner gemeinsam lösen“ in allen Landesteilen unterwegs. Das Feuer steht auch für die Leidenschaft, die sie für das Projekt Familie empfindet, für die Energie und die Wärme, die es spendet, wenn man damit umzugehen weiß.
FiS: Liebe Frau Swoboda, Erziehungsratgeber finden sich immer häufiger auf den Bestsellerlisten. Nicht selten ist von überforderten Eltern die Rede und tyrannischem Nachwuchs. Ist Erziehung schwieriger geworden?
Katharina Swoboda: Jede Generation hat ihre Herausforderungen, was ich aber schon bemerke, ist, dass die Anforderungen an Eltern vielfältiger geworden sind und sie gleichzeitig sehr hohe Ansprüche an sich selber stellen. Zwischen den eigenen Idealen und den Möglichkeiten, diese im Alltag umzusetzen, klafft oft eine große Lücke. Während früher mehrere Generationen an der Kindererziehung beteiligt waren, sind viele Eltern heute auf sich alleine gestellt und in unserer schnelllebigen Zeit ist es schwer, dem gesellschaftlichen Druck zwischen Alltagsschwierigkeiten, Berufstätigkeit und Freizeitgestaltung standzuhalten.
FiS: Den Kindern wird es ähnlich gehen.
Swoboda: Sicher. Ich bemerke sehr wohl, dass viele Kinder ein gewisses Ungleichgewicht zeigen. Sie sind wie ein Barometer und manchmal „funktionieren“ sie eben nicht so, wie man es gerade brauchen würde. Da machen sie nicht mehr mit. Diese Ansicht, dass Kinder immer funktionieren müssen, ärgert mich sehr. Es macht mir Sorgen, wie sehr die Stress-Symptomatiken bei Kindern zugenommen haben. In der Fachwelt wird von Leistungsverweigerung gesprochen. Auch ein Wort, das ich zu vermeiden versuche, denn meistens ist es ganz einfach so, dass Kinder aus unterschiedlichsten Gründen ihr Potential nicht entfalten können. Dann beginnt die Suche nach der Verantwortlichkeit, nach einem Schuldigen. Dabei werden oft die Eltern in ein schlechtes Licht gerückt und die Schulschwierigkeiten eines Kindes überschatten schnell das ganze Familienleben. Dann müssen Eltern schon sehr überzeugt sein und gut als Team zusammenarbeiten, um dem entgegenzutreten und ihre Energie nicht zu sehr auf die Fehler, sondern auf das Miteinander zu verwenden. Was ich aber bei all den Workshops, Kursen und Vorträgen und auch bei den Eltern, in der Einzelberatung, sehe, ist, dass die allermeisten sehr bemüht sind und wirklich das Beste für ihre Kinder wollen.
FiS: So im Zentrum, wie heute ist das Kind ja noch nie gestanden.
Swoboda: Das hängt auch mit dem Zeitmangel zusammen. Eltern verbringen oft wenig Zeit mit ihren Kindern. Wenn sie aber etwas unternehmen, dann steht das Kind im Mittelpunkt. Den Müttern und Vätern ist die fehlende Zeit meist sehr bewusst und viele haben Angst, ihrem Kind nicht alles bieten zu können. Sie haben ein schlechtes Gewissen und das ist ein schlechter Begleiter bei der Erziehung. Viele sagen, ich hab sicher schon so viel falsch gemacht, ich möchte nicht noch mehr falsch machen. Nicht alle natürlich. Man darf gerade bei diesen Themen nie verallgemeinern, das ist mir sehr wichtig. Und die Erziehungsparadigmen ändern sich laufend. Bei unseren Eltern hat es noch geheißen, man solle ein Baby ruhig schreien lassen, das sei gut für die Lunge. Heute weiß man aus der Bindungsforschung, dass hinter dem Schreien ein Bedürfnis steckt. Wird es gestillt, lernt das Kind, dass es seine Bedürfnisse äußern kann und es Lösungen gibt.
FiS: Was halten Sie von den vielen Elternforen, Elternblogs und Erziehungsratgebern?
Swoboda: Da bin ich skeptisch, denn es gibt keine allgemeingültigen Erziehungstipps. In den Foren geht jede und jeder von der eigenen Familienrealität aus und diese unterscheiden sich alle. Es soll nicht darum gehen, sich an anderen zu orientieren, sondern man muss für sich selbst den richtigen Weg finden und das ist unglaublich schwierig. In Elternforen neigt man dazu, zu vergleichen. Mir wird da selbst ganz schwindlig. Viele Eltern erleben dann eine große Frustration, wenn der theoretisch so schlüssige Tipp aus dem Blog in der Realität nicht oder nur kurzfristig funktioniert. Man kann nicht bei den Konflikten ansetzen, wenn es an der Basis hapert. Und das ist die Beziehung zwischen Eltern und Kind.
FiS: FamilienTeam® setzt genau dort an. Was macht dieses Erziehungskonzept so besonders?
Swoboda: Bei FamilienTeam® steht die liebevolle, wertschätzende und respektvolle Beziehung zum Kind im Mittelpunkt. Sie ist die Voraussetzung, um einander auch in schwierigen Situationen, trotz des stressigen Alltags, respektvoll zu begegnen. Alle Eltern sind kompetente Eltern und wir Trainerinnen orientieren uns an den Kompetenzen, die wir vorfinden. Wir versuchen, die Eltern in ihrer Haltung, in ihrer Persönlichkeit zu stärken. Eltern erhalten über die Medien, über Vergleiche, über Leistungsmaßstäbe so viele Informationen, dass sie in der übergroßen Vielfalt die Orientierung verlieren. Was ist uns eigentlich wichtig? Was möchten wir unseren Kindern auf ihrem Lebensweg mitgeben? Diese Fragen formen bis zum Schluss einen Kompass, an dem sich die ganze Familie orientieren kann. Die Beziehung passt schon – sagen uns manche Eltern – wo wir Hilfe brauchen, sind die Konflikte. Nach der zweiten oder dritten Einheit – Konflikte werden erst in der fünften Einheit besprochen – kommt dann die Erkenntnis, dass es ja eigentlich schon sehr viel besser geht, weil man inzwischen an sich selbst und der eigenen Haltung gearbeitet hat. Wenn nur ein Familienmitglied sein Verhalten ändert, wirkt sich das auf das ganze System aus.
FiS: Die Koryphäen in der deutschsprachigen Erziehungsdebatte sind vorwiegend Männer. Als Teilnehmer bei Elternkursen sind sie aber in der Unterzahl. Haben sie einfach weniger Fragen?
Swoboda: Männer haben meist einen anderen Zugang zu Kindererziehung. An den Kursen nehmen mehr Frauen als Männer teil, wobei wir von Rückmeldungen unserer Kollegen in Deutschland wissen, dass in Südtirol mehr Väter teilnehmen, als dort. Die klassischen Alltagsprobleme, die bei FamilienTeam®-Kursen behandelt werden, kennen Mütter in der Regel besser, etwa Konflikte rund ums Zähneputzen, Fernsehen, zu-Bett-Gehen, Aufräumen oder Süßigkeiten-Essen. Sie verbringen einfach mehr Alltagszeit mit den Kindern.
FiS: Emotionscoaching ist ein zentraler Bestandteil des Konzeptes. Warum?
Swoboda: Das ist das Herzstück. Kinder müssen erst lernen, Gefühle wahrzunehmen, einzuordnen und damit umzugehen. Eltern haben manchmal den Eindruck, dass Kinder manche Dinge mit Absicht tun und das ist wirklich sehr selten. Auch wenn Kinder mit schlimmen Worten um sich werfen, tun sie das in den allerseltensten Fällen, um jemanden zu verletzen. Kinder lieben ihre Eltern, sie lieben sie immer. Sie müssen erst lernen, dass zwar jedes Gefühl erlaubt ist, aber nicht jedes Verhalten. Wie ich als Mutter oder Vater in die Diskussion reingehe – ob ich persönlich verletzt bin oder abgekühlt und gefasst – macht den großen Unterschied. Da müssen wir oft selbst den Pausenknopf drücken.
FiS: Das ist im Alltag und unter Zeitdruck nicht immer leicht.
Swoboda: Wir sind nicht perfekt. Diese Fehlbarkeit muss man immer mit einkalkulieren, aber man kann immer versuchen, es wieder gut zu machen. Da sind wir Modell für unsere Kinder. Das wichtigste ist unsere Grundhaltung. Wenn man schon geschimpft hat und die Kinder sagen, „Mama, wir haben schon verstanden“ und man möchte noch einmal und noch einmal ansetzen, dann halten die Kinder das auch aus, wenn die Beziehung passt.
Katharina Swoboda ist seit 20 Jahren als Akademische Heilpädagogin und seit 5 Jahren als FamilienTeam®-Trainerin tätig und arbeitet eng mit Kindern, Eltern und Lehrpersonen zusammen. Bei FamilienTeam®- oder Pubertäts- Elternkursen ist sie meist im Team mit Deborah Visintainer, Pädagogin, FamilienTeam®-Trainerin und Familienmediatorin, anzutreffen. Gemeinsam mit Elisabeth Hickmann, Astrid Patscheider, Heike Rainer, Bettina Schweigl, Margit Schwienbacher, Simone Wieser, Sarah Wegmann und Reinhard Zangerle sind sie die Experten in Südtirol für das Erziehungskonzept.
Über FamilienTeam®:
FamilienTeam® ist ein wissenschaftlich begründetes Training zur Stärkung der Erziehungskompetenz und der Eltern-Kind-Beziehung. Es wurde von Dr. Johanna Graf an der Ludwig-Maximilians-Universität München entwickelt und vom KFS nach Südtirol geholt. Eine tiefe Wertschätzung für die persönlichen Stärken und die individuellen Bedürfnisse der Eltern stehen hierbei an erster Stelle.
Interview: Valeria von Miller
Aus der FiS-Familie in Südtirol Nr. 4/2018