Man liest von ihm – erfährt von ihm vom Hörensagen – medial ist er präsent wie nie zuvor – und trotzdem ist er scheinbar ein noch seltenes Phänomen: der „neue“, der „aktive“, der „engagierte“, der „involvierte“ Vater. Doch was bedeutet eigentlich Vater-Sein heute, welche Herausforderungen spüren Väter, wo stoßen sie auf Grenzen und welche Erwartungen werden an sie gerichtet? Für die FiS haben wir uns umgehört.
Nach dem kinderwagenschiebenden Mann, der während der klassischen Bürozeit auf der Dorfstraße entgegenkommt, werden sich auch heute noch einige erstaunt umdrehen. Dabei hat sich das Vaterbild bereits seit längerer Zeit verändert. Schon vor 30 Jahren beschrieb der Soziologe Joseph Pleck diesen neuen Vater, der nicht nur mit den Kindern spielt, sondern auch die Windeln wechselt, Mahlzeiten zubereitet und das Baby füttert. Selbstverständlich ist inzwischen seine Anwesenheit bei der Geburt.
Harte Männer – sanfte Väter
Dass sich Männerbild und Vaterbild im Wandel befinden, bestätigt auch Michael Bockhorni, Gründer der Initiative väter aktiv. „Zwar möchten Männer weiterhin die traditionelle Rolle des Familienernährers ausfüllen, ihnen ist es aber gleichzeitig wichtig, weiche und zärtliche Seiten zu zeigen, Zeit mit der Partnerin und den Kindern zu verbringen.“ So ergab auch die Südtiroler Männerstudie, dass der Großteil der Männer an der Erziehung ihrer Kinder stärker beteiligt sein möchte. Sie kuscheln gerne mit ihrem Kind, unternehmen ohne Partnerin etwas mit ihm, kümmern sich, wenn es krank ist und bringen es zu Bett. Fakultative Elternzeit beanspruchen zwar erst wenige, doch die Bereitschaft steigt. Waren es 2010 nur 9,8%, so stieg die Zahl der Väter in Elternzeit 2013 auf immerhin 15,5%. Die letzten erhobenen Daten sprechen von 17,1%. Einer davon ist Michael Kerschbaumer aus Vahrn. Er ist im technischen Bereich tätig und war der erste unter seinen Kollegen, der sich für die Elternzeit entschieden hatte.
Vereinbarkeit Familie und Beruf
„In einem eher männerlastigen Betrieb war das Thema nicht gerade auf der Tagesordnung, doch mein Arbeitgeber hat es von Beginn an sehr gut aufgenommen“, erzählt Kerschbaumer. Vielleicht auch, weil der Vater zweier Kinder nicht ganze sechs Monate am Stück von der Arbeit fernbleibt, sondern die 180 Tage aufgeteilt hat – nämlich auf einen Tag pro Woche. „Viele meiner Kollegen und auch im Bekanntenkreis wussten nicht, dass es diese Möglichkeit in der Privatwirtschaft gibt, baten mich um Informationen und haben nun auch selbst Elternzeit genommen.“
Einerseits Familienernährer, andererseits liebevolle, engagierte Väter: Die junge Männergeneration will beides sein - und das europaweit.
„Ob und wie sich Väter engagieren, hängt vielfach von der Reaktion ihres Arbeitgebers ab. Wenn es da einmal heißt, jetzt gehen die auch noch in Karenz, werden sich Väter hüten, das Thema zur Sprache zu bringen“, weiß Bockhorni. Seine Entscheidung, in Teilzeit zu arbeiten, um mehr Zeit für die Kinder zu haben, wurde zunächst mit Stirnrunzeln zur Kenntnis genommen.
Großes Entgegenkommen hat Klaus Gallmetzer erfahren. Der Berufsschullehrer ist alleinerziehender Vater und kümmert sich seit einigen Jahren zudem um seine pflegebedürftige Mutter. „Es war für mich von Anfang an sehr wichtig, meinen Kindern Stabilität zu bieten, ihnen Halt und Sicherheit zu geben und mich als Vater für sie einzusetzen“, betont der Bozner. Das war nicht immer leicht. Gallmetzer ist getrennt. Die Mutter der beiden Kinder lebt mittlerweile in Stockholm und ist nur selten in Südtirol. Damit die Kinder bei ihm in Bozen bleiben durften, war ein Richterspruch nötig und auch der finanzielle Rückhalt fehlte. In der kritischen Phase konnte er die Arbeitszeit auf drei Tage pro Woche reduzieren und schließlich für die Pflege seiner Mutter zwei Jahre bezahlten Wartestand in Anspruch nehmen.Insgesamt eine seltene und schwierige Konstellation, bei der Gallmetzer sowohl vom Lehrerkollegium als auch vom Direktor starke Rückendeckung erfahren hat.
Rückkehr zu traditioneller Rollenteilung
„Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für die junge Generation von Vätern ein immer wichtigeres Thema. Und das europaweit“, weiß Michael Bockhorni. „Bevor die Kinder da sind, leben die Paare sehr gleichberechtigt und wollen diese egalitären Prinzipien auch als Eltern beibehalten. Leider schaffen das nur sehr wenige. Meistens kommt es mit der Geburt des ersten Kindes zu einer Retraditionalisierung.“ Im Klartext: die Mutter erzieht die Kinder, der Vater verdient das Geld. Der größere Verdienst des Vaters wird oft als Grund für diese Rollenzuweisung genannt.
Man muss Vätern mehr zutrauen. Männer machen zwar vieles anders - deshalb aber nicht falsch.
Geschlechtersoziologe Michael Meuser nennt in seinen Studien einen weiteren Faktor: Frauen wird im traditionellen Familienmodell noch immer die größere Kompetenz in der Kindererziehung zugeschrieben. Sie schätzen es durchwegs, wenn sich Männer stärker einbringen. Wollen Väter aber auch verstärkt mitbestimmen, falle es Müttern oft schwer, ihre Domäne aufzugeben oder zu teilen. Wenn Michael Kerschbaumer erzählt, dass seine Frau für ein Paar Tage nicht zuhause ist, kommt schon mal die besorgte Frage „und die Kinder??“. „Ich bin ja da“, muss er dann bekräftigen.
„Männern muss mehr zugetraut werden“, fordert Kerschbaumer. „Männer machen vieles anders – deshalb aber nicht falsch.“ Er weiß aus vielen Diskussionen, dass traditionelle Rollenbilder auch bei der jüngeren Generation noch fest verankert sind. „Dabei sind gleichberechtigte Eltern ein gutes Modell, damit Kinder beide Seiten kennenlernen.“
Identifikationsfigur und Vorbild
Durch Zufall in eine weiblich besetzte Domäne gerutscht ist Jorg Frasnelli, Südtirols einziger männliche Tragetuchberater. „Was willst du mit dem Tuch da?“, war Frasnellis erste Reaktion auf das Tragetuch, das seine Frau geschenkt bekommen hatte. Bald probierte er das Tuch aber selbst aus und schaffte damit eine ganz neue intensive Bindung zwischen sich und seinen Töchtern. Eigentlich hätte Frasnellis Frau die Ausbildung zur Trageberaterin machen sollen. Weil kurzfristig etwas dazwischenkam, der Kurs aber schon bezahlt war, besuchte ihn Frasnelli selbst und ist seit zwei Jahren auch beim Verein Südtiroler TrageberaterInnen – Consulenti portare i bimbi Alto Adige aktiv.
Studien zeigen: Kinder, deren Väter sich besonders einbringen, sind einfühlsamer, selbstständiger und intelligenter.
„Männer haben eine etwas andere Beziehung zum Kind – keine Überlebensbeziehung, wie bei der Mutter“, erklärt der Leiferer. „Der enge Kontakt, der durch das Tragen des Babys am Körper entsteht, ist unglaublich wertvoll für die Bindung zwischen Vater und Kind - auch, weil ein Baby im Alter von drei Monaten zwischen Bezugspersonen und Fremden zu unterscheiden lernt.“ Gerade im Kleinkindalter, im Kindergarten bis in die Grundschule treffen Kinder auf sehr wenige männliche Bezugspersonen. Umso wichtiger ist die Präsenz eines einfühlsamen und engagierten Vaters als männliche Identifikationsfigur und als Vorbild. Es ist längst nachgewiesen, dass Kinder, deren Väter sich besonders in die Erziehung eingebracht haben, einfühlsamer, selbstständiger und intelligenter sind, als Kinder, deren Väter kaum Präsenz zeigten.
Netzwerke und Bildungsangebote
Klaus Gallmetzer weiß auch von Vätern, die ihre Kinder kaum sehen, nicht einmal den Urlaub mit ihnen verbringen. „Etwas, das ich nicht nachvollziehen kann“, sagt er. „Ich bin der Überzeugung, dass wenn ein Vater sich einsetzen möchte, er das auch schafft.“ So, wie Jorg Frasnelli, der zwar beruflich Vollzeit eingespannt ist, die Zeit am Abend aber besonders genießt. Die gehört nämlich seinen Kindern. Dass die Gute-Nacht-Geschichte von Papa vorgelesen wird, hat Tradition. Was er kritisiert, ist, dass es in Südtirol kaum Möglichkeiten gibt, Netzwerke zu bilden. Er selbst hat beim Geburtsvorbereitungskurs Kontakte geknüpft, die auch heute noch bestehen. „Solche Kurse wären die ideale Basis für spätere Netzwerke, aber sie werden fast ausschließlich in den Zentren angeboten“, bedauert Frasnelli.
Väter brauchen in Südtirol noch mehr Mut, sich offen in der Vaterrolle zu zeigen und Angebote in Anspruch zu nehmen.
„Da kommen werdende Eltern aus Tiers, vom Ritten, aus Andrian nach Bozen, doch wenn sie aus der Tür treten, haben sie sich wieder verloren.“ Klaus Gallmetzer hat den Kontakt zu anderen Familien aktiv gesucht: „Mir war es wichtig, dass meine Kinder mit anderen Kindern zusammentreffen, dass man gemeinsam etwas unternimmt, sich austauschen kann.“ Diesen Austausch zu fördern hat sich Michael Bockhorni mit „väter aktiv“ zum Ziel gesetzt. „Leider ist die Bildungsbereitschaft von Vätern generell gering. Männer brauchen auch in Südtirol mehr Mut, Angebote in Anspruch zu nehmen.“ Und welches ist die größte Herausforderung? „Selbstbewusstsein“, sagt Michael Kerschbaumer. „Selbstbewusst die Vaterrolle zu leben, auf den Spielplatz zu gehen, die Windeln zu wechseln, die Kinder in den Kindergarten und zur Schule zu bringen, sich öffentlich als Vater zu zeigen.“
Text: Valeria von Miller
Aus der FiS - Familie in Südtirol Nr. 4/2017
Am 19. März ist Vatertag. Noch kein Geschenk? Wie wäre es mit einem Gutschein für das Abenteuerwochenende mit Papi?