Es braucht veränderte Strukturen und Angebote
Bereits bei der Einladung zur Männer-Fachtagung „Männer – irgendwie anders“ im Haus der Familie am Ritten wurde klar, dass Männer nicht so leicht zu gewinnen sind, wenn es um sie selbst geht. 18 Männer und neun Frauen diskutierten kürzlich darüber, wie Beratungseinrichtungen Männer besser erreichen können. Es brauche mehr männliche Berater, war eine Antwort darauf. Und es brauche veränderte Strukturen, maßgeschneiderte Angebote, aber auch andere Uhrzeiten für Beratungssettings, wurde klar.
Männer gehen nicht zu Vorträgen, zu denen hauptsächlich Frauen gehen. Männer besprechen sich lieber in der Brauerei, in der Feuerwehrhalle, beim Klettern, Tennis, beim Wandern oder Schifahren. So ergab beispielsweise eine Studie über die Aufnahme von Frauen bei den Freiwilligen Feuerwehren in Südtirol, dass Feuerwehrmänner durchwegs überzeugt sind, dass Frauen diese freiwillige Arbeit problemlos verrichten könnten. Allerdings bemängelten sie, dass sich dann ihre Gesprächsthemen vor und nach den Proben und Löscheinsätzen verändern würden: Das ist nur ein Beispiel dafür, dass Männer Räume für sich beanspruchen und brauchen.
Armin Bernhard ist Lehrbeauftragter an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Freien Universität Bozen. Er erklärte bei der Fachtagung, dass Männer aufgrund veränderter Rahmenbedingungen und Rollenbilder immer unsicherer und der Leistungsdruck größer werden. Der Arbeitsmarkt verlange zunehmend Flexibilität: Viele Männer sind während der Woche wenig daheim und müssten am Wochenende der Paarbeziehung, der Erziehung und gemeinsamen Freizeitgestaltung gerecht werden.
Gerd Stecklina unterrichtet Soziale Arbeit an der Hochschule für angewandte Wissenschaften München: „In Zeiten der Unsicherheit greifen Menschen auf traditionelle Strukturen zurück“, erklärte er. Traditionelle Vereine wie jene der Schützen, der Feuerwehr oder der Musikkapelle gäben da Sicherheit und Halt.
Armin Bernhard gab außerdem zu bedenken, dass jeder fünfte Mann in Südtirol Gewalt toleriere.
80 von 100 Männern würden zwar erklären, dass sie sich bei eigenen Gewalttendenzen Hilfe holten. Allerdings suchen nur 2 von 100 Männern im Bedarfsfall eine Beratungsstelle auf.
Die Südtiroler Männerstudie aus dem Jahr 2014 besagt, dass neun von zehn Weiterbildungen, die Männer machen, beruflicher Natur sind. Wenn es um Weiterbildungen in Vereinen geht, bearbeiten Männer lieber harte Themen und Fakten, als sich mit sich selbst zu beschäftigen. Der Wunsch nach Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf werde von Männern zwar gefordert, aber vordergründig geht es den Männern dann um die Erziehung der Kinder. Der Haushalt bleibt zum größten Teil bei der Frau hängen. Während vor einer Schwangerschaft die Aufgaben im Haushalt eher gleichwertig verteilt werden, fallen viele Paare nach der Geburt eines Kindes in herkömmliche Rollenmodelle zurück.
Gleichzeitig haben Männer und Frauen unterschiedliche Vorstellungen von Arbeit. Der Diplom-Pädagoge und promovierte Politikwissenschaftler Thomas Gesterkamp arbeitet als Journalist und Buchautor in Köln: Für den Mann sei seine professionelle Arbeit Teil der Familie, sagte er. Kürzlich habe ihm ein Mann erzählt, er habe für sich und seine Frau jeweils ein Autos gekauft und seine Frau habe ihm parallel gesagt, er solle sich mehr in der Familie einbringen. Der Mann habe sich in seiner Aufgabe als Familienernährer brüskiert und vor den Kopf gestoßen gefühlt und gemeint, es sei doch auch fundamental, Geld für die Familie zu verdienen.
Thomas Gesterkamp ist überzeugt, dass die moderne Technik viele Werkzeuge hat, um den Männern, aber auch der Familie und Partnerschaft gerecht zu werden. So könne Telearbeit mehr freie Zeit bringen, allerdings müsse sie auch von Betrieben angeboten und gesellschaftlich akzeptiert werden. Grundsätzlich müssten die Anliegen der Männer noch besser beleuchtet und auf sie eingegangen werden. Das nütze der gesamten Gesellschaft.
Außerdem betonte jeder siebte Mann in der Südtiroler Männerstudie, dass er mindestens einmal im Leben gemobbt worden sei: dann hauptsächlich in der Schule und beim Militär. Acht von zehn Suizide in Südtirol gehen auf Kosten der Männer, mindestens ein Suizid pro Woche ist in unserem Land zu verzeichnen. Elmar Vigl, Direktor des Hauses der Familie, betonte: „Beratung im richtigen Kontext ist wichtig.“ Das Rittner Bildungszentrum werde sich mit dem Thema auch weiterhin auseinandersetzen.
Am späten Vormittag fanden bei der Männertagung im Haus der Familie Workshops über Ängste von Männern, über Jungen und junge Männer, über Männer als Partner und Väter statt. Am Nachmittag regte das Krah-Forumtheater mit einem interaktiven Stück über Möglichkeiten zur Bewältigung von problematischen Situationen an.
Die Männertagung war ein vorläufiger Höhepunkt und Abschluss eines Themas, das noch viel Diskussion braucht. Das Netzwerk „Mann“ – bestehend aus MitarbeiterInnen des Hauses der Familie, des Südtiroler Kinderdorfes, von „Väter aktiv“ und der Caritas Männerberatung – hat sich ein Jahr lang mit dem Thema „Männer – irgendwie anders“ befasst und im Vorab der Tagung drei Fokusabende zu Beruf, Familie und Freizeit durchgeführt: Am 15. September fand in Brixen ein „Iron-Man statt“. Männer standen in einer von Frauen geführten Bierbrauerei am Bügelbrett. Am 28. September diskutierte bei Dr. Schär in Burgstall eine Runde zum Thema „Väter in der Wirtschaft“ und am 7. Oktober fand eine Sonnenaufgangswanderung zum Kofl über Bruneck statt.