Beziehungslosigkeit ist der eigentliche Atheismus unserer Zeit
„In einer Gesellschaft, die den flexiblen und ungebundenen Menschen idealisiert, ist Beziehungslosigkeit die neue Gegenreligion, der eigentliche Atheismus unserer Zeit. Dabei sind Beziehungen und Bindung zentral für eine christliche Erziehung." Professor Karl Heinz Schmitt, Erziehungswissenschaftler und langjähriger Rektor der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen gab seinen Zuhörern anlässlich der Vortragsreihe „Gott ist bei den Kindern“ gar einige neue Impulse mit auf den Weg, denn Gott wird dort erfahrbar, wo Kinder Anerkennung, Vergebung, Heilung und Solidarität erfahren.
„Nicht Gott braucht unser Gebet, wir selber brauchen es. Wir brauchen jemanden, der uns wahrnimmt und an den wir unsere Wünsche, Sorgen, Ängste aber auch unsere Freude ausschreien können. Die Kirche kann Raum dafür bieten, das tut sie aber nicht alleine“, betonte der Theologe und Buchautor kürzlich in den Vereinshäusern in Kaltern und Pfalzen. Religiöse Erziehung habe nicht unbedingt mit Kirche und Kirchenbindung zu tun. „Gottesdienst bedeutet nicht, dass wir Gott dienen sollen. Das wird oft missverstanden. Vielmehr ist es umgekehrt: Gott will uns dienen. Er möchte, dass wir und unsere Kinder frei sind und frei leben können.“
Vier Grundinteressen Gottes
Wie können Eltern nun diesen Gott für ihre Kinder greifbar machen? Schmitt beantwortete dies anhand der vier Grundinteressen Gottes: Anerkennung, Vergebung, Heilung und Solidarität: „Jeder Mensch hat als Ebenbild Gottes die gleiche Würde und verdient die Chance auf Vergebung. Dabei geht es nicht darum, Schuld ungeschehen zu machen, aber einen Neuanfang zu ermöglichen. Nicht zuletzt brauchen wir alle - und gerade Kinder - andere Menschen, die für uns da sind und uns begleiten. Die Geburt eines Kindes zeigt diese Botschaft immer wieder aufs Neue: So, wie ein Kind ohne Gemeinschaft und Menschen, die sich um es kümmern, nicht lebensfähig ist, so brauchen wir auch als Erwachsene die Beziehung zu anderen“, erklärte Schmitt. „Dort wo die vier Grundinteressen verwirklicht sind, dort ist Gott bei uns und zwar bedingungslos. Besonders deutlich wird Gottes Interesse in den familiären Beziehungen: zwischen Eltern und Kindern, Geschwistern und in der Partnerschaft.“
Feste festigen Beziehungen
Ankerplätze für diese Grundinteressen Gottes sind die Feiertage. „Feiern im Leben und im Kirchenjahr sind Feste der Beziehungen“, betonte Schmitt. "Sie stabilisieren unser Leben und machen das Interesse Gottes schmackhaft." Dabei gilt der Sonntag als prägendster Festtag, damit Gott auch in Zukunft erfahrbar bleibt. Der Sonntag ist ein Tag, der uns geschenkt ist, der uns nichts kostet und der aus wirtschaftlicher Sicht wohl als überflüssig bezeichnet werden könnte. "Doch genau das brauchen wir in unserem Leben und schulden wir auch unseren Kindern: Einen Tag des Überflusses. Einen Tag, an dem die Familie zusammenkommt, die Menschen im Mittelpunkt stehen und Beziehungen wahrgenommen werden“, schloss der Erziehungswissenschaftler.
Die Vortragsreihe „Gott ist bei den Kindern“ wurde vom Fachausschuss Familienpastoral und den Zweigstellen Kaltern und Pfalzen des Katholischen Familienverbandes Südtirol (KFS) gemeinsam mit dem Amt für Schule und Katechese der Diözese Bozen-Brixen organisiert.