Es war einmal ein Schaf. Es war ein Schaf wie andere Schafe auch, weiß, flauschig und nett. Ein bisschen neugierig vielleicht, aber sonst ganz normal. Das Schaf lebte in der Nähe von Bethlehem, in einem Land voller Oliven- und Zitronenbäume und einem blauen, klaren Nachthimmel. Es war eigentlich sehr zufrieden in seiner Herde und mit seinen Hirten.
Eines Abend lag das Schaf auf der Weide und wollte gerade die Augen schließen, als plötzlich Licht vom Himmel herab fiel. Das Schaf fragte sich, wo das Licht herkam, und auch die Hirten waren unruhig geworden. Da erschien plötzlich ein Engel auf der Weide. Die Hirten erschraken sehr, doch der Engel sprach: „Fürchtet euch nicht! Ich verkünde euch große Freude, für euch ist ein König geboren, Christus, der Herr. Ihr findet ihn in Bethlehem, in einem Stall. Dort liegt er, in Windeln gewickelt, in einer Krippe.“ Die Hirten machten sich sofort auf den Weg und waren auch gleich in der Dunkelheit verschwunden. Das Schaf hatte natürlich alles mit angehört. Enttäuscht ging es in den Stall, denn die Hirten hatten in der Eile alle Tiere auf der Weide vergessen. Es würde den neuen König nicht sehen. Traurig legte es sich ins Heu und dachte über die Worte des Engels nach. Da kam ihm eine Idee. Hatte der Engel nicht gesagt, dass der König in Bethlehem war? Das war von hier doch nur ein Katzensprung! Schon fasste das Schaf einen Entschluss, es würde nach Bethlehem gehen und den König finden. So marschierte es zielsicher aus dem Stall. Doch kaum, dass es fünf Schritte gemacht hatte, fiel ihm wieder ein, wen es suchen wollte: einen König. Es war ja unmanierlich, ohne Geschenke vor dem König aufzutauchen. Aber was konnte es schon schenken? Da fiel dem Schaf sein allergrößter Schatz ein. Es hatte doch hinten im Heu ein paar Kiefernzweige versteckt, die eigentlich für ein anderes Mal gedacht waren, die konnte das Schaf dem König doch schenken. Schnell lief es zurück und suchte im Heu nach den Zweigen. Sie waren von dem Hirtenjungen zu einem Kranz zusammengebunden, damit das Schaf ihn sich um den Hals hängen konnte. Zufrieden stapfte es aus dem Stall. Doch offenbar hatte es den Esel beim Suchen der Zweige geweckt, denn kaum hatte es ein paar Schritte gemacht, wieherte der: „Wohin des Weges, mein Freund?“ Und so berichtete ihm das Schaf von den Ereignissen auf der Weide und seiner Absicht, nach Bethlehem zu gehen. Da fragte der Esel: „Darf ich denn mitkommen zum König? Ich habe sogar fünf schöne Lorbeerzweige zum Schenken. Die waren eigentlich zum Knabbern an Regentagen gedacht, aber jetzt sollen sie Christus gehören.“ Der Esel trottete los und kam bald mit fünf schönen Lorbeerzweigen zurück, die er zufrieden in den Kranz des Schafes steckte. Kurz nach ihrem Start erschien die Kuh und fragte: „Was macht ihr denn hier?“ „Wir wollen den Herrn suchen und ihm unsere Geschenke bringen“, erklärte der Esel. „Wartet, da komme ich mit! Ich habe auch ein Geschenk, eine Hand voll goldener Ähren.“ Kaum war die Kuh losgetrottet, war sie auch schon wieder zurück, mit ein paar goldenen Getreidehalmen. Auch diese flocht sie geschickt in den Pflanzenring ein. „Die waren eigentlich für mein Kälbchen, nun gehören sie Christus.“ Der Trupp setzte sich langsam in Bewegung, wurde aber gestoppt, als die Taube, die auf einem Ast saß, wissen wollte, was denn da los sei. Auch sie bekam die Geschichte erzählt. „Ihr wollt zu einem König? Da will ich natürlich auch mit! Ich hole schnell eine Zimtstange, die ich auf dem Markt unter dem Stand des Gewürzhändlers gefunden habe. Ihr wunderbarer Duft sollte mich eigentlich aufmuntern, aber ich werde nun ohne ihn auskommen.“ Und nach ein paar Flügelschlägen war auch sie wieder zurück. Es war eine wunderbar duftende Zimtstange und sie fand ebenso ihren Platz im Kranz. Kurz darauf traf die Karawane auf den Fuchs, der gerade durch die Nacht huschte. Als er die Tiere sah, blieb er stehen und wollte eine Erklärung für ihre Wanderung. „Uns wurde heute von einem König berichtet,“ erklärte das Schaf. „Wir wollen zu ihm!“ Als der Fuchs die Geschenke um den Hals des Schafes sah, huschte er wieder los und kam kurze Zeit später mit einem Beutelchen im Mund zurück. „Da drinnen ist ein wunderbar glänzender Stein. Ich habe ihn auf einem Weg der Menschen gefunden. Er war eigentlich meine Kostbarkeit, aber nun kommt er zu euren Geschenken. Ich darf doch mit, oder?“ Und so zogen nun schon fünf Tiere durch die Nacht. Inzwischen hatten sie Bethlehem erreicht. Sie wollten sich schon auf die Suche nach dem Stall machen, als plötzlich ein Miauen über ihnen ertönte. Es war die Katze, die von einem Baum sprang und nach dem Tumult auf der Straße fragte. Kurze Zeit später wusste auch sie vom König. Und so holte sie aus ihrem Versteck im Baum eine getrocknete Zitronenscheibe. „Ich kann sie zwar nicht essen, aber sie erinnert mich an den Sommer. Deshalb ist sie mein Schatz.“ Schon kurz darauf war auch die Zitronenscheibe am Geschenkskranz, neben Zimt und Stein. So zogen die Tiere weiter, alle zusammen mit dem Schaf. Es begann die Suche nach dem Stall, den niemand kannte, doch als sie nach Stunden immer noch nichts gefunden hatten, senkten sie enttäuscht die Köpfe. „Ich glaube, wir müssen wieder nach Hause gehen“, meinte der Fuchs. Doch plötzlich fragte jemand: „ He, ihr da, sucht ihr etwas?“ „Ja, einen Stall, mit einem König drin,“ meinte der Esel. „Warum sucht ihr den?“, fragte das Huhn, das im Garten stand. „Wir wollen ihm unsere Geschenke bringen, weil er ja der Herr ist“, meldete sich die Taube. Die Henne überlegte kurz und sagte dann: „Wenn ich euch verrate, wo der Stall ist, darf ich dann mit? Ihr meint doch den, wo die Hirten und drei komische Männer rein wollten?“ „Ja, genau den meinen wir! Und natürlich darfst du mit!“, rief das Schaf aufgeregt. So kam es, dass ein Schaf, ein Esel, eine Kuh, eine Taube, ein Fuchs, eine Katze und ein Huhn mit einem Kranz voller Schätze, das Huhn hatte seine schönste Feder beigesteuert, durch Bethlehem marschierten. Nach ein paar Minuten kamen sie zum Stall. Das Schaf öffnete behutsam das Tor und tatsächlich fanden sie im Stall eine Frau und einen Mann, ein kleines Kind in einer Krippe, drei seltsame Könige und des Schafs Hirten. Durch das Fenster des Stalles leuchtete ein Komet. Die Frau, sie hieß Maria, lächelte, als sie den Kranz sah, nahm ihn vom Hals des Schafes und reichte ihn dem Christuskind. Auch dieses lächelte, sobald es den schön verzierten Kranz sah und legte ihn sich auf das Haupt; die erste Krone des neuen Königs.
Und noch heute basteln wir einen Kranz aus Pflanzen und Dekoration; wir nennen ihn Adventskranz.
Daniel Pattis, Tiers